FELIX BRAUN - TEXT (4) |
JADWIGA UND DIE WALDTIERE -
(Textauszug)
Jadwiga, die junge Gemahlin des Herzogs Jagello von Polen, war schlank, hoch gewachsen, voll mädchenhaften Stolzes, und liebte über alles die Jagd. Ein Künstler, dem der Herzog aufgetragen hatte, ihm ihr Bildnis zu malen, stellte sie als die griechische Göttin Artemis dar und empfing für diese glückliche Eingebung einen Beutel voll Dukaten. Als er im Verfolg eines so gewinnbringenden Gedankens auf einem zweiten Bilde Jadwiga neuerlich als Göttin der Jagd und des Mondes, von Nymphen umschwärmt, im Walddickicht überrascht von Aktäon, malte und diesen, dem im Augenblick der Verwandlung ein zackiges Hirschgeweih aus dem Haupte dringt, arglos mit den Zügen des Herzogs begabte, wäre er beinahe seines so erfinderischen Kopfes verlustig gegangen. Der erzürnte Fürst begnadigte ihn im letzten Augenblick gegen das Entgelt der rechten Hand des unglücklichen Malers, der sich hinfort daran gewöhnen mußte, mit der Linken den Pinsel zu führen, wenn anders ihm dieses gefährliche Tun nicht schon zur Gänze verleidet war. Die Liebe der Herzogin zur Jagd war so groß, daß ihr Gemahl sie mit nichts anderem erfreuen konnte als einem Geschenk, das sich auf diese Leidenschaft bezog, vornehmlich Waffen, unter denen sie die Wurfgeschosse alter Völker, Speer und Pfeile, bevorzugte, so nun wahrhaft der Griechengöttin gleichend, was sie nicht ohne eitle Genugtuung selbst empfand. Der Herzog, der nicht in der Welt so gern sah wie ihr Gesicht in glücklicher Überraschung, verschwendete reiche Summen Goldes, um seltene Tiere für ihre Jagd zu erstehen: Steinböcke, die auf den Felsen der Schweiz frei unter dem Himmel leben; weiße Hirsche; weiße Füchse aus den skandinavischen Eisländern, Antilopen und Gazellen aus Afrika, und suchte immer noch nach einem Einhorn, dem keuschen Waldtier, das außer den Griechen - denn eben dieses Einhorns Fell war das berühmte goldene Vlies gewesen - nur ein Dichter erblickt hatte. Als Jagello gegeben hatte, was aufzubringen war, schenkte er seiner Gemahlin einen riesigen Waldgrund, den er einem Bauern mit Gewalt fortnahm, führte von drei Seiten hohe Mauern herum; auf der vierten ging das Gebiet in Urwald über. Hier jagte Jadwiga, so oft sie es gelüstete, zumeist allein mit ihren beiden roten polnischen Windhunden, die als die Letzten ihrer Rasse von unmeßbarem Werte waren, manchmal mit ihrem Falken oder gefolgt von dem stummen armenischen Zwerg Goro, der sie liebte. Sie wußte, daß der Zwerg von jeder Regung ihrer Miene, jedem Zug ihrer Brauen abhing; sie haßte ihn dafür, und doch empfand sie diese Macht als eine Lust, ähnlich der, mit der sie sich im Jagen als Herrin der Tiere fühlte. Statt daß sich nun ihre Leidenschaft durch die Freiheit, die sie genoß, vermindert hätte, steigerte sie sich vielmehr in solchem Maße, daß sie sogar die Schonzeit des Wildes nicht einzuhalten vermochte, was die Bauern, Förster und Händler verdroß, weshalb sie Klage wider Jadwiga beim Herzog zu erheben wagten. Das taten sie durch den Mund des alten Einsiedlers Zdieslaw, von dem Sage ging, daß ihn die Tiere nicht fürchteten. Wer, so hieß es, bevor die Sonne aufgegangen sei, an seine Hütte komme, könne schauen, wie Hirsche und Rehe vor der Tür schliefen. Eines Morgens begab sich Zdieslaw in die Stadt und sprach lange mit dem Herzog. An den nächsten Tagen ritt Jadwiga nicht zur Jagd. Mißmutig schlenderte sie in ihrem Park umher; der Falke auf ihrer Hand gab Schrei und Flügelzeichen, die Windhunde schossen jagdlustig weitaus; der stumme Goro trippelte hinter ihr drei n und suchte vergebens Wildspuren ab. Als eine Woche ohne Pfeilschuß und Speerwurf verstrichen war, beschloß Jadwiga, den Einsiedler aufzusuchen und darob zur Rede zu stellen, was ihn wohl berechtigt hätte, sie ihrer einzigen Freude zu berauben. Sie kleidete sich zur Jagd, nahm Köcher, Bogen und Speer, jedoch nicht Pferd noch Hunde noch den Falken. Auch den Zwerg nicht, trotz seines demütig flehenden Blicks. In einer zornigen Aufwallung über ihn wollte sie ihn mit dem Köcher niederschlagen. Er duckte sich - da waren seine gelben, runden Augen auf einmal dunkel vor Haß. Jadwiga ging in den Park, allein durch das Begebnis mit dem Zwerg waren ihr Mut und Lust genommen. Die Jagd konnte sie nicht erfreuen, der Weg in die Einsiedlerklause dünkte sie weit. Sie mußte einen Augenblick lang gegen eine Müdigkeit ankämpfen, der sie sich lieber hingegeben hätte. Es war ein schwüler Sommertag, kein Wind regte sich, schwer standen die Bäume mit üppigen Lasten Laubes, das mit der trägen Ergebenheit abhing, die nach den Wetterregeln der Bauern den Regen anzeigt. Bienen, Hummeln, Bremsen, fahlblaue, feuriggrüne, rotleuchtende Fliegen durchsummten, durchschwebten, durchzuckten die dicke Waldesluft. Jadwiga lauschte auf ihren eigenen Schritt und freute sich, wenn er dumpf scholl, da ihre Füße über Gras oder Moos wanderten, und wieder hell, wenn es über Steine ging. Die Zeit war dem Mittag nahe. Der Wald wechselte von Laub- in Nadelgehölz; Harz duftete; im hohen Gras ließen sich schöne, blaue Blumen erblicken; eine graue Blindschleiche lag auf dem Wege; ein Vogel sang süß. es war Jadwiga, als ob sie zum erstenmal durch den Wald ginge. (.......)
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