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FELIX BRAUN - TEXT (3)


DIE BERGE 
(aus Viola d'Amore, Otto Müller Verlag, 1953)

Wir waren arm, und so fuhren wir lang
Mit dem Personenzug.
Meine Mutter hatte nur Wien gesehn,
Und ich war jung genug.
Wir fuhren lang über hügliges Land,
Ich zählte jede Station,
Ich trug sie wohl ein in mein Schönschreibheft,
An vierzig waren es schon.

Dann wurde ich müd, und ich schlief ein. -
Auf einmal - wie ward ich wach? -
Was donnerte her? Was brach herein?
Was rauschte und sauste nach?
Es war so kühl und so finster das Grün,
Als schatteten Wände nah.
Meine Mutter zog mich zum Fenster hin -
Und ich sah:

Da ragten die Berge himmelan,
Grünmoosig und felsigkahl,
Und einzelne Fichten hingen daran,
Und ein Wasser stürzte zu Tal.
Das Wasser, ja, das brauste so laut,
Weiß schleiernd mit gläsernem Bug -
Kalt wars - mir schaudert es über die Haut -
Dumpf fort stampfte der Zug.

Und höher und höher stieg das Gewänd.
Woher soviel Wasser quoll?
Es floß vielleicht aus dem Firmament,
Dunkelblau und wolkenvoll.
"Das ist das Gesäuse", sprach jemand.
Meine Mutter nickte bloß.
Heftig griff sie nach meiner Hand
Und ließ sie nicht mehr los.

Und die Berge blieben. Zum erstenmal
Im Sommer sah ich Schnee.
"Eine Gemse!", rief meine Mutter. "Da!"
Aber es war nur ein Reh.
Unter hölzerner Brücke die Ache warf
Grünweißen Wellengischt.
Ah, wehte die Luft eisigkühl und scharf,
Mit Nadel- und Harzduft vermischt! -

Es war schon Abend, da stiegen wir aus,
Das Dorf lag so fremd, voll Gefahr.
Unser Haus war ein altes Bauernhaus,
Alles war wunderbar.
Mein Bett nur war zu früh gemacht,
Es gab noch so vieles zu schaun. -
Meine Mutter weinte die ganze Nacht -
So laut rauschte die Traun.

 



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